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1983: Tronic1983: Tronic

1983 Martin Kolbe & Ralf Illenberger: Tronic

© ℗ 1983 LP Mood Records 28.646
CD ℗ 1997 Injoy (in-akustik)

Tronic / Jungle City Junk Jive / Zen tri Fuge / Osterspaziergang / Der ewige Atem / Das Wesen des Wassers / Warum 12? / Frühstück im Park / 11. 8. 1999

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Nach den Aufnahmen zu „Flieger“ wird uns das Korsett des akustischen Gitarrenduos mit dem typischen „Kolbe-Illenberger-Weichspüler-Sound“ endgültig zu eng und wir brechen ganz gezielt daraus aus, ohne auf die kommerzielle Verwertbarkeit zu schielen. Im Lauf von 1 ½ Jahren mieten wir immer dann das Studio für ein paar Tage, wenn wir besonders energiegeladen und kompromisslos sind. Es gibt kein Konzept und keine vorgegebenen Kompositionen, aus Improvisationen entsteht ein erster Entwurf und dann lassen wir uns nur noch treiben; lustvoll, spielerisch, immer auf der Suche nach der nächsten Grenze, die darauf wartet, gesprengt zu werden.


Ralf besinnt sich auf seine Klavierkenntnisse, improvisiert am Flügel und bedient Synthesizer, ich setze mich nach Jahren wieder einmal an ein Drumkit und spiele mit viel Genuss Fretless-Bass. Beide lassen wir unsere Gibsons und Fenders über einen voll aufgedrehten Mesa Boogie Verstärker schreien und verwenden einfach alles, was da so im Studio herumsteht. Anne Haigis kommt eines Nachts vorbei und singt unfassbar expressiv bei zwei Stücken, was perfekt passt, denn wir wollen es genau so haben: ungewöhnlich und unbequem, aber trotzdem ästhetisch.


Das Ergebnis ist eine ungeheuer dichte Musik, die von einem Extrem ins nächste kippt. Großstadtdrive und Naturgeräusche reihen sich aneinander, von vielstimmiger, komplexer Harmonik bis zu einfachen, wohlklingenden Tönen, von kreischenden Sounds bis zu absoluter Stille, von stumpfen 4/4-Takten bis zu ungeraden Metren wie 5/4 oder 13/8 – es ist alles zu hören, wozu wir in der Lage sind.


Viele unserer alten Fans sind ratlos bis entsetzt, denn diese Platte hat so gar nichts mit dem zu tun, was sie von uns gewohnt sind. Andere Hörer kennen dagegen ausschließlich „Tronic“ und sind erstaunt, wenn sie bei Konzerten „nur“ ein akustisches Gitarrenduo antreffen. Karrieretechnisch oder kommerziell betrachtet haben wir mit dieser Platte Russisch Roulette gespielt (und wahrscheinlich zahlen wir immer noch die extrem hohen Produktionskosten ab), aber diese Phase unserer Entwicklung war unbedingt notwendig und auch ein logischer Schritt, denn wir mussten die Extreme erforschen, um wieder zurückkehren zu können.